Die Suche nach bedingungsloser Liebe prägt unser Leben in vielerlei Hinsicht. Aber was bedeutet der Begriff eigentlich? Wie unterscheidet er sich von Liebe? Und welchen Einfluss hat diese Form von gefühlter Liebe auf unser heutiges Leben? Diese und viele weitere Fragen diskutiert Dipl.-Psych. Ulrich Wilken in diesem Artikel.
1. Die entscheidende Frage nach der bedingungsloses Liebe
2. Die ständige Suche nach Anerkennung
4. Selbstwahrnehmung und Beziehungsmuster
5. Loslassen der Sehnsucht: Schritte zum Glück
Fazit: Überwindung der Schuld und der Weg zum Glück
1. Die entscheidende Frage nach der bedingungsloses Liebe
Wenn ich die vielfältigen Lebensgeschichten meiner Klienten bis zu ihrem Kern verdichten, stoße ich oft auf eine zentrale Frage: „Haben Sie sich als junger Mensch von Ihren Eltern bedingungslos geliebt gefühlt?“ Die Antwort lautet meist: „Ja, meine Eltern haben mich schon geliebt.“ Aber wenn ich genauer nachfrage, ob sie sich wirklich geliebt gefühlt haben, ergibt sich oft ein anderes Bild: „So richtig eigentlich nicht.“ Diese Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Liebe und der Realität kann tiefgreifende Folgen haben – muss aber nicht.
2. Die ständige Suche nach Anerkennung
In der Kindheit und Jugend suchen wir Anerkennung und Liebe oft auch außerhalb des familiären Rahmens – bei Lehrern, in Sportclubs, Freundeskreisen und später in romantischen Beziehungen. Diese Suche setzt sich häufig im Berufsleben fort, wo wir Anerkennung von Führungspersonen und Kollegen anstreben. Es ist natürlich und menschlich, Anerkennung und Bestätigung zu suchen. Allerdings kann eine übermäßige Abhängigkeit von externer Anerkennung unser Wohlbefinden beeinträchtigen. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu finden und zu lernen, wie wir unser Selbstwertgefühl und unsere Zufriedenheit auch aus inneren Quellen schöpfen können, anstatt sie ausschließlich von äußeren Bestätigungen abhängig zu machen.
Aber in vielen Fällen wird die mangelnde Wertschätzung und Liebe in den prägenden Jahren – speziell zwischen zwei bis sieben Jahren und während der Pubertät – zum Problem. Liebe und Anerkennung werden häufig an Leistung geknüpft; Konformität wird belohnt, Anderssein abgelehnt. Diese Erfahrungen führen zu einem der unangenehmsten Gefühle: der Ohnmacht.
3. Die Macht der Ohnmacht
Diese Ohnmacht kann die persönliche Entwicklung eines Menschen stark beeinflussen, sowohl psychisch als auch physisch. Einige ziehen sich zurück, vernachlässigen soziale Kontakte und körperliche Aktivität, andere kompensieren durch erhöhte schulische oder sportliche Leistungen. Aber das Gefühl, nicht zu genügen, verdichtet sich zunehmend. Es scheint nie genug zu sein.
4. Selbstwahrnehmung und Beziehungsmuster
Eine gängige Reaktion auf dieses Gefühl der Ohnmacht ist der Versuch, sich selbst zu verändern zu wollen – in der Hoffnung, dadurch Liebe zu erhalten. Diese Wandlung aus der Ohnmacht hin zur Handlungsfähigkeit löst jedoch die tief verwurzelten Leitsätze – wie „Ich reiche nicht“, „Ich bin nicht richtig“, „Ich genüge nicht“ – nicht auf. Ganz im Gegenteil, diese Leitsätze neigen dazu, sich im Sinne selbsterfüllender Prophezeiungen immer wieder zu bewahrheiten. Eine leidvolle Identität entsteht, die eine leidvolle Sicherheit schafft. „Ich bin eben so“. Diese Sätze leiten das Leben und sind, wenn neuronal lange gebahnt, äußerst resistent gegenüber Veränderung.
Eine scheinbare Paradoxie entsteht nun dadurch, dass, um diese Leitsätze aufrechtzuerhalten, es eine Partnerin oder einen Partner braucht und sich dann in dieser Beziehung – nicht zwangsläufig, aber doch häufig – die alten Leitsätze bestätigen.
Die ungestillte Sehnsucht nach der bedingungslosen Liebe von der Mutter und/oder dem Vater führt unbewusst daher zur Aufrechterhaltung der leidvollen Leitsätze. Beispielsweise sucht eine Frau, die eine Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe hat, einen Mann, der aufgrund seiner Lebensgeschichte eine Art emotionaler Autonomie entwickelt hat, z. B. durch die Erfahrung einer Mutter, die ständig Grenzen überschritten hat. Die Frau sucht nach Nähe und Liebe, der Mann muss sich soeben schützen und kann diese Gefühle nur temporär zeigen und leben. Das führt bei der Frau wiederum zu dem Gefühl: Ich kann machen, was ich will, ich kommen nicht an ihn ran. Der Mann muss aufpassen, dass seine mühsam aufgebaute emotionale Autonomie nicht in Gefahr gerät, denn Liebe und Nähe kann heikel sein.
So ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass beide nach einiger Zeit die Beziehung beenden.
Quintessenz: Der Liebe kann man nicht trauen.
5. Loslassen der Sehnsucht: Schritte zum Glück
Doch es gibt einen Weg, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Der Schlüssel liegt darin, sich von der Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe der Eltern zu lösen. Es geht nicht darum, sich von den Eltern selbst zu verabschieden, sondern von der tief verwurzelten Sehnsucht nach ihrer bedingungslosen Liebe. Ein solcher Abschied kann symbolisch in einem Ritual vollzogen werden, das mit Wahrhaftigkeit und einem kleinen Augenzwinkern begangen wird.
Die Voraussetzung dazu ist allerdings, dass die Eltern an der aktuellen Lebenssituation nicht als schuldig bezeichnet werden. Auf Schuld kann nichts wachsen. Und solange die Schuld ein Bindeglied ist, ist das Glück nicht vorgesehen. Doch dazu mehr in einem gesonderten Aufsatz.
Fazit: Überwindung der Schuld und der Weg zum Glück
In einem zukünftigen Artikel wird Dipl.-Psych. Ulrich Wilken tiefer in die Thematik eintauchen, wie man die Schuld überwinden und einen neuen Weg zum Glück und zur erfüllten Liebe finden kann. Denn letztendlich ist es die Reise zu uns selbst, die es uns ermöglicht, echte, bedingungslose Liebe – zuerst zu uns selbst und dann zu anderen – zu fühlen.
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